02 Februar 2006

Hilflos

Mal eine erste Rohfassung, ich bin noch nicht ganz zufrieden damit, aber egal:

Da stand sie, in einer Ecke, erst hatte er sie gar nicht gesehen und dann war sie plötzlich da. Erhaben, schön und unerreichbar. Noch ein bisschen fester klammerte er sich an den Flaschenhals. Sollte er aufstehen und zu ihr gehen? Eine kluge Konversation anfangen, sich smart geben und die Absichten eindeutig durchschimmern lassen. Was sollte er denn sagen? Eigentlich verband ihn nichts mit ihr, er hatte kein Einstiegsthema, das den Weg für eine ernsthafte Unterhaltung ebnen würde.

Er wurde unruhig, hielt sich aus den Gesprächen seiner Freunde raus, schaute immer wieder rüber zu ihr. Er konnte gar nicht anders. Einmal hatte er sie gehabt, eine Nacht lang, das würde er nie vergessen. Sie war bei ihm gewesen, weshalb wusste er nicht mehr so genau, beide hatten sie in Unmengen getrunken und hatten dann in seinem Bett etwas miteinander gehabt, bis sie plötzlich eingeschlafen war, noch bevor sie die Hosen ausgezogen hatte. Als er am nächsten Morgen aufwachte, war sie bereits weg. Seitdem hatte er sie nie mehr gesehen. Leider. Sie gefiel ihm, schon lange.

Jetzt flirtete sie mit irgendeinem Irrläufer und schien es sichtlich zu geniessen, wie dieser sie gierig anstierte. In dem Moment wusste er, dass er sie nie mehr wieder so berühren würde und dieses Gefühl zerfrass ihn. Wie konnte es sein, dass man etwas trotz jeglicher Anstrengung einfach nicht haben konnte, nur weil jemand anderes benötigt wird es auszuleben. Andere Menschen sind unberechenbar und sie nahm sich einfach so die Freiheit heraus über ihn zu entscheiden, hatte eine unglaubliche Macht, die niemandem zustand.

Er fühlte sich wie ein Eimer Wasser in einem Guss ausgeleert und jetzt lag er verteilt auf Betonboden und sickerte langsam in die Ritzen. Entschlossen stand er auf, ging direkt auf sie zu.

Hi

Hey was geht?

Nicht viel, weniger als bei dir, du bist ja wieder voll im Geschäft, wirst du heute von ihm früh morgens abhauen, kann ich dir ein Bier offerieren, du stehst noch zu standfest?

Hmmm?

Egal. Ciao! geniesst den Abend!

Besser fühlte er sich nicht, als er die Bar verliess, die beiden verdutzt hinter sich lassend, im Gegenteil, aber er wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen und so hatte er wenigstens mit ihr sprechen können und sie würde sich daran erinnern und möglicherweise darüber nachdenken. Dann ging er in die nächste Bar sich selbst einladen.

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Welch ein Vergnügen für einen Hobbypseudoschreiberling wie mich. Fabian Hernandez hat angefangen die Geschichte vom Alten Mann graphisch umzusetzen. Zu sehen gibts das hier. Schaut euch auch den Rest von dem Künstler an, der geht ab wie frisch geschlüpfte afrikanische Rentiere!

Das hat mir imponiert, da musste ich auch wieder einmal zeichnen, bin aber nicht weit gekommen... klicke hier.

29 Januar 2006

auf stürmischer See

„Die Luken! Die Luken müssen runter, werft das Ding raus! Sonst gehn wir in die Luft!“

„Ja, Sie haben leicht reden Kapitän, aber um die Luken zu öffnen müssen wir das Ding umbauen.“

„Na denn los, los! Hopp, Hopp! Sie Arschloch haben noch zehn Minuten! Was dann kommt, muss ich Ihnen wohl kaum erklären, verdammt!“

„Aye Aye, Sir!“

Sofort beginnt der Chefmechaniker damit die notwendigen Änderungen durchzuführen. In einem Waghalsigen Manöver seilt er sich an der Aussenwand ab, um mit seinem Werkzeug den Aussenmotor der Luke zu erreichen und umzubauen. Die See tief unter ihm schlägt hohe Wellen, immer schwieriger fällt es ihm Kontrolle zu bewahren und nicht an der Seitenwand zu zerschmettern. Hoch über ihm brüllt noch immer der Kapitän, betitelt ihn als blinden Idioten, der zu dumm wäre seine eigene Mama am Sterbebett zu erkennen.

Endlich erreicht er sein ziel, seine Füsse schwimmen bereits im Wasser, er löst Schrauben, zieht Muttern an, befestigt einen Keilriemen neu. Die Schreie des Kapitäns werden immer lauter und beginnen sich mit denen einer Frau zu vermischen, hören sich an, als ob sie direkt neben ihm stehen würden. Es fällt ihm immer schwerer die Konzentration zu bewahren, er versucht sämtliche Hintergrundgeräusche abzuschotten, fokussiert sich auf seine Aufgabe. Schritt für Schritt kommt er seinem Ziel näher. Es liegt an ihm dafür zu sorgen, dass die Situation nicht eskaliert, die Bombe muss entsorgt werden, koste es was es wolle.

Schweiss gebadet vollendet er sein Werk. Die Stimmen werden lauter.

„Du kannst nicht von mir verlangen ihn aufzugeben! Er ist auch mein Sohn!“

„Als ob Du dich je um ihn gekümmert hättest! Er war dir doch immer Klotz am Bein, und jetzt plötzlich willst du deine Pflichten wahrnehmen können?“

„Ich war ja die meiste Zeit auf Arbeit, natürlich hast Du einen engeren Bezug zu ihm, schliesslich hast Du ihn die meiste Zeit erzogen, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht über meinen Kopf hinweg über ihn bestimmen zu können und wenn ich dir das so nicht klar machen kann, dann bleibt mir nur der Rechtsweg.“

„Du solltest dich reden hören, als ob Du die Gerechtigkeit für dich gepachtet hättest, was weisst Du denn über Kinder, schliesslich sitzt Du den ganzen Tag in einem verstaubten Büro und sortierst Akten für deine fetten Chefs.“

„Ach aber Du weisst über meine Arbeit bescheid und ich nicht über meinen eigenen Sohn. Du hast ja keine Ahnung, was für Schwachsinn Du mal wieder von dir lässt!“

Er verstand ihre Worte nicht, nur deren Tonfall und den wollte er nicht verstehen. Lieber widmete er sich wieder seinen Schiffen, der Bombe und der Stille der tobenden See. Ein paar Legosteine hatte er noch, die er ansetzen konnte.

Box dich

Ich habe jetzt einen verbalen Boxsack. Er heisst Andrea und ist ein Hermaphrodit. Normalerweise versteckt er sich irgendwo in meinem Hirn und bleibt ganz still, aber immer wenn ich ihn brauche, dann kommt er hervor und steht mir zur Verfügung. Das ist immer dann, wenn ich jemanden zum anschreien brauche, zum fertig machen. Einer oder eine, dem ich alles ins Gesicht schmettern kann, ohne gegen Regeln zu verstossen. Ich laufe zur Höchstform auf, schreie ihn an, beschuldige ihn mir mein Leben gestohlen zu haben oder zumindest Teile davon. Auch an meinen schlechten Launen ist er schuld, oder wenn ich morgens nicht im Bett liegen bleiben kann, weil mich eine unfassbare Kraft rauszieht.

Er versucht sich dann zu wehren, geht in die Defensive oder regt sich fürchterlich auf, aber gegen meine Rhetorik und Aggression hat er keine Chance. Das weiss er, schliesslich habe ich ihn erschaffen, trotzdem versucht er es immer wieder, fordert mich heraus, kann es nicht lassen und nimmt verschwommene Konturen an, erinnert an Menschen die ich kenne, oder irgendwo gesehen habe. Ich höre ihn mit bekannten Stimmen zu mir sprechen und ich gebe Antwort, führe einen inneren Dialog mit meiner real gewordenen Phantasie, rede mich in Rage.

Mehr Menschen sollten eine oder einen Andrea haben, vielleicht wären sie dann zufriedener. Auf meiner Reise nach Marseille ist mir aufgefallen, wie die Menschen auf der Strasse leise vor sich hin brabbeln. Im Supermarkt hatte ein älterer Mann sogar in irgendeiner Ecke eine imaginäre Person angebrüllt. Später war er dann ganz entspannt zur Kasse geschlurft und hatte gezahlt. Niemand hatte sich an ihm gestört, obwohl er vor fünf Minuten Andrea beinah wortgewandt abgeschlachtet hätte.

Ich liebe dich Andrea, gerade weil ich dich ungehemmt hassen darf.