14 Januar 2006

Ks Weg I

Langsam brach die Dämmerung an. Rötliches Licht flutete die Stadt, tauchte für einen kurzen Augenblick das Grau der Fassaden in ein rostrotes, fleckiges Licht. Leer lagen die Strassen vor K., nur manchmal sah er dunkle Schemen, hörte dumpf Schritte irgendwo, doch kaum hatte er sie ausmachen können, waren sie auch wieder verschwunden. Abgetaucht im milchigen Nebel und der Dunkelheit der engen Gassen.

Die Ruhe war vollkommen nur das tiefe Brummen der Strassenlaternen störte, auch deren Licht. Er mochte diese jungfräuliche Zeit des Tages, während der das hektische Leben der Stadt noch schlief, in Häusern, in warmen Betten. Zu zweit oder alleine. In all diesen dunklen Zimmern, an denen er vorbei lief, bis zu fünfzig Menschen in einem Haus.

Er hatte es nicht weit bis zur Arbeit, fünfzehn Minuten zu Fuss, bis zum Strassenbahnhof, eine alte Halle mit hohen, verzierten Fenstern. Meist fuhr er die Nummer elf, quer durch die Stadt. Die erste Bahn des Tages. Die Erste, welche die Stille durchbrach, Menschen zur Arbeit, Nachtschwärmer nach Hause brachte. Kaum Autos auf den Strassen, nur die parallel, endlos verlaufenden Schienen.

Normalerweise nahm er einen kleinen Umweg, an einer Backstube vorbei, pochte ans Fenster, sie kannten ihn bereits, gaben ihm dann ein frisches Brötchen mit. Heute sogar einen Krapfen. So schlenderte er essend zur Arbeit. Nur noch ein paar Blöcke.

Plötzlich durchbrach grelles Licht den Nebel, zwei Lichtpunkte kamen auf ihn zu, Motorenlärm wurde immer lauter. Er blieb reglos stehen, beobachtete, wunderte sich. Dann war der Wagen nur noch fünf Meter entfernt, beschleunigte noch immer, direkt auf ihn zu, schoss dann nach links aus, schlingerte und blieb in einer Mauer stehen. Deplazierter, betäubender Lärm hallte nach, Metallteile barsten. K. rannte auf das Wrack zu, um nach dem Fahrer zu sehen, blieb aber auf halbem Weg stehen. Hinter dem Wagen lagen Geldscheine auf dem Boden. Er besah die Ladung, mehrere Säcke, einer war geplatzt die anderen heil.

Er bemerkte Geräusche, Fenster öffneten sich, Menschen waren geweckt worden. Jemand rief, erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei, aber bewegte sich nicht. K. wusste er konnte jetzt nicht nachdenken, entweder oder, sagt er sich, griff nach einem der Säcke und rannte, weg, irgendwohin. Die Richtung war egal, war jetzt nicht mehr wichtig, darauf war er nicht mehr angewiesen, die letzte Hürde zur Freiheit war genommen. Die einfachste und trotzdem kaum passierbare. Möglicherweise war er jetzt reich.

Er bemerkte, dass er in Richtung Bahnhof lief, er hielt, schaute sich um, bog links ein und verschwand in der Aufkommenden Helligkeit. Der Nebel begann zu lichten, ein warmer Herbsttag kündigte sich an.

Fortsetzung folgt...