29 Januar 2006

Box dich

Ich habe jetzt einen verbalen Boxsack. Er heisst Andrea und ist ein Hermaphrodit. Normalerweise versteckt er sich irgendwo in meinem Hirn und bleibt ganz still, aber immer wenn ich ihn brauche, dann kommt er hervor und steht mir zur Verfügung. Das ist immer dann, wenn ich jemanden zum anschreien brauche, zum fertig machen. Einer oder eine, dem ich alles ins Gesicht schmettern kann, ohne gegen Regeln zu verstossen. Ich laufe zur Höchstform auf, schreie ihn an, beschuldige ihn mir mein Leben gestohlen zu haben oder zumindest Teile davon. Auch an meinen schlechten Launen ist er schuld, oder wenn ich morgens nicht im Bett liegen bleiben kann, weil mich eine unfassbare Kraft rauszieht.

Er versucht sich dann zu wehren, geht in die Defensive oder regt sich fürchterlich auf, aber gegen meine Rhetorik und Aggression hat er keine Chance. Das weiss er, schliesslich habe ich ihn erschaffen, trotzdem versucht er es immer wieder, fordert mich heraus, kann es nicht lassen und nimmt verschwommene Konturen an, erinnert an Menschen die ich kenne, oder irgendwo gesehen habe. Ich höre ihn mit bekannten Stimmen zu mir sprechen und ich gebe Antwort, führe einen inneren Dialog mit meiner real gewordenen Phantasie, rede mich in Rage.

Mehr Menschen sollten eine oder einen Andrea haben, vielleicht wären sie dann zufriedener. Auf meiner Reise nach Marseille ist mir aufgefallen, wie die Menschen auf der Strasse leise vor sich hin brabbeln. Im Supermarkt hatte ein älterer Mann sogar in irgendeiner Ecke eine imaginäre Person angebrüllt. Später war er dann ganz entspannt zur Kasse geschlurft und hatte gezahlt. Niemand hatte sich an ihm gestört, obwohl er vor fünf Minuten Andrea beinah wortgewandt abgeschlachtet hätte.

Ich liebe dich Andrea, gerade weil ich dich ungehemmt hassen darf.


3 Comments:

Anonymous Anonym said...

erst sagst du, dass andrea sich alles gefallen lässt und dann, dass er/sie sich wehrt usw. :-/

29/1/06 19:15  
Blogger randoom said...

Für mich nicht zwingend ein Widerspruch, denn sich alles gefallen zu lassen, heisst ja nicht nur, dass man sich nicht wehrt, sondern eher, dass man nicht die Kraft aufbringt daran etwas ernsthaft zu ändern, sprich einen radikalen Schritt wie verlassen oder so zu tun. aber ich kanns auch streichen, sind eh nurfünf Wörter...

29/1/06 19:22  
Blogger randoom said...

Moment ich frag mal!

...

Es war ein harter Überzeugungskampf, aber jetzt er/sie ist absolut bereit für eine gute Sparring Runde, aber lass ihm Zeit, ich hab ihm grad hart zugesetzt... ;)

31/1/06 17:49  

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