28 Januar 2006

der alte Mann

Es war kalt. Richtig eisig, ich trug mehrere Lagen Kleidung, das tat ich sonst nie, so ernst war die Lage. Menschen kamen mir entgegen, alle leicht gebückt und geknickt, um ihren Hals zu schützen und die Körperwärme besser speichern zu können. Niemand blieb stehen, alle hetzten in Cafés, Kaufhäuser, nach Hause, Hauptsache warm. Auch ich konnte es kaum erwarten ins Büro zu kommen, mich von meiner Jacke und dem viel zu dicken Pullover zu erlösen. Dummerweise hatte ich mein Fahrrad zu Schrott gefahren und die überteuerten Strassenbahnpreise mochte ich nicht bezahlen für nur zwei Haltestellen, deshalb lief ich und spürte mich nach und nach erfrieren.

An einer Strassenecke sah ich ihn, er sass auf einer Bank. Wahrscheinlich war er so um die siebzig oder achtzig. Er hatte eine jener Mützen an, die an Trapper aus alten Karl May Romanen erinnerten mit halblangen, Fell gefütterten Ohrschützern an beiden Seiten, wie ein umgepolter Hase. Sein schmächtiger Körper war in einen weiten, grau abgetragenen Wintermantel gehüllt. Bewegungslos, nur dann und wann eine Esskastanie schälend sass er da, sagte nichts und beobachtete, wie die Leute an ihm vorbei hetzten und ihn gar nicht bemerkten.

Auch ich wollte eigentlich weiter, schliesslich war es kalt, aber irgendetwas an der traurig da sitzenden Figur faszinierte mich, so setzte ich mich neben ihn. Sofort bot er mir eine seiner mittlerweile erkalteten Marroni an, die ich mit meinen eingefrorenen Fingern kaum aufbrechen konnte. Wir kauten schweigend.

Dann fragte ich ihn, was er hier tue, so ganz alleine. Er habe gewartet, entgegnete er mir, darauf, dass ihn jemand bemerken würde und jetzt könne er endlich nach hause gehen.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

:-) voll gäili story, ich ha lut glache - respect! :-)

28/1/06 19:42  

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