auf dem Förderband
Ich beobachtete sie genau, hatte schliesslich Zeit, musste warten, darauf, dass ich an die Reihe käme. Vor mir standen etwa fünf Leidensgenossen, alle eingedeckt mit Lebensmitteln, Beauty Accessoires, Kleidern oder was sie auch sonst immer hatten finden können in den verwinkelten Regalen des Einkaufsparadieses. Ich balancierte sämtliche Zutaten einer Pizza in meinen Armen, weil ich wieder vergessen hatte eines dieser grünen Körbchen am Eingang mitzunehmen. Sehnsüchtig wartete ich darauf endlich meine Waren aufs Förderband zu legen und diesen Ort der farbenprächtigen Depression zu verlassen.
Sie ging routiniert vor, griff sich einen Artikel, scannte den Stichcode, liess ihn in die Auffangbecken am Ende der Kasse rutschen und griff sich dann den Nächsten, bis sie künstlich lächelte, den Gesamtbetrag nannte, um dann mit steinerner Miene von Vorne anzufangen. Stundenlang Arm nach rechts, nach links, Lächeln. Sie tat mir Leid, eingesperrt in ihrer Pflicht Geld zu verdienen, musste sie sich der Wiederholung aussetzen und keiner nahm sie war, niemand bedankte sich von Herzen bei ihr, dass sie ihm ermöglichte Waren einfach so mitzunehmen, im Tausch gegen ein paar Scheine, Münzen oder Bits ohne jeglichen Wert.
Ersetzbar war sie; möglicherweise irgendwann durch eine Maschine, ohne Gesicht, Gefühle, Motivation. Reine Funktionalität, keine Pausen oder Fehler, höchstens ein paar Ausfälle, Systemabstürze oder ähnliche Spielereien. Ich hatte Lust ihr meine Anerkennung zukommen zu lassen, zu zeigen, wie sehr ich es schätzte von einem Menschen bedient zu werden, einem Lebewesen mit einer Geschichte, Erlebnissen und Ansichten. Vielleicht könnte sie mir ja Tipps geben, wie ich den Rand meiner Pizza luftiger backen könnte, wenn sie meine Einkäufe sieht, eins und eins zusammenzählt, mein Vorhaben erkennt. Möglicherweise wäre sie auch bereit Witze zu machen, einfach so, weil sie morgens mit jemandem gemütlich Frühstück hatte, der Tag gut begann.
Stattdessen die immergleiche Bewegung, maximales Tempo, ständige Beobachtung und Anforderung von Filialleiter und Kunden. Ich bewunderte, wie sie so ruhig bleiben konnte, stellte mich Amok laufend vor, Tote im Supermarkt, rotes Blut auf farbigen Etiketten, Köpfe, die auf dem Förderband ihrer Identifizierung entgegen rollen. Realität wäre ich an ihrer Stelle.
Endlich konnte ich mich meiner Last erledigen, bald würde ich dran sein. Ein Mann vor mir in Anzug und Krawatte kaufte gross ein. Brot, Teigwaren, Fertigsaucen, Fleisch, Salami, darunter Kondome, Wein und Bier, konnte ich ausmachen. Er bezahlte mit seiner Visakarte, während er telefonierte.
Sie lächelte mich an, sechzehn dreissig bitte. Ich gab ihr zwanzig, erhielt das Wechselgeld, packte meine Sachen in eine der dünnen Plastiktüten und ging. Draussen hatte ich ihr Gesicht bereits wieder vergessen. Ich glaube sie war blond gewesen, nächstes Mal werde ich mich besser achten müssen, denke ich, wieder einmal.
3 Comments:
...und ich habe Welttverbesserische Absichten, wenn ich diese Frauen (ups) Angestelltenundinnen allerfreundlichstens anlächle und ihnen einen wunderschönen Tag wünsche... Meist kann ich mich auch nicht zurückhalten irgendwelech Sprüche zu machen, aus Verlegenheit und Mittleid oder ähnlichem... doch: Die finden das gar nicht besser... nicht oft jedenfalls... dann gucken sie mich schräg an und ich fühle mich als hässte ich sie aus ihrem Rhythmus gerissen...
Stimmt, ist so, deshalb macht die Hauptfigur ja nichts, sondern bezahlt wie alle anderen. Da geht es halt um ein grösseres Problem, naja vielleicht auch nicht... ;)
Samstag, ich war in der Stadt. Bzw. in DER Strasse. Da war Supré. Ein Kleiderladen. Meine Freunde waren drinn, ich hielt es nicht aus, die Musik war so laut, und wartete draussen. Da war dieses Mädchen, vielleicht 19? Sie stand am Eingang und hat jeden der hinein ging gegrüsst. Freundlich mit einem Lächeln. Ich hab sie beobachtet, meinen Mut zusammen genommen und sie angesprochen. Hab sie gefragt, ob es ihr Spass macht. Was für eine Frage. Es war dumm. Sie hat gesagt es sei nicht so schlimm, sie müsse es nur eine Stunde machen, dann werde sie abgelöst. Ich hab mich verabschiedet und draussen weiter gewartet... Dumme Trjna, ich weiss nicht mal was ich erwartet habe. Aber, wie du sagst, ich könnte es nicht. Immer nett sein. Ich hoffe es war wenigstens eine angeneme Abwechslung für sie.
Deine Texte sind gut. Munkel hat wohl ein gutes Gespür.
Hallo an Munkel und an dich
Trjna
Kommentar veröffentlichen
<< Home